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Von Zoom über Picturephone zu Telepoly und zurück
Zoom, Skype und andere Videokonferenz-Plattformen: Videokommunikation hat sich im Kontext der Corona-Pandemie 2020 zu einem unabdingbaren Hilfsmittel etabliert. Die Coronakrise hat ein Umdenken in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gefordert, so auch in Bezug auf die akademische Lehre. Doch was heute ganz neu erscheint, hat eine Geschichte. Unser Beitrag bietet einen historischen Rückblick in die Anfänge der Videokonferenz, welche eng mit den ersten Fernseh-Experimenten und der Koppelung von Television und Telefonie in den 1920er Jahren verbunden ist. Die Geschichte von Zoom & co. ist aber nicht nur ein wichtiger Bestandteil der Fernsehgeschichte, sondern auch mit der Einführung von audiovisuellen Hilfsmitteln im Unterricht verknüpft. Veranschaulichen wollen wir den Eintritt der Videokonferenztools in den Bildungssektor mit dem Telepoly-Experiment, welches die Hochschulen in Lausanne, Zürich und Basel Mitte der 1990er Jahre virtuell verband. Im Hinblick auf die jüngsten Umstellungen im universitären Betrieb sind durchaus Parallelen zwischen den historischen Beispielen und der neuen digitalen Interaktivität ersichtlich.
Recherche, Text und Video: Florian Bayer, Catherine Csebits und Martin Schäffler
TV-Uni Zürich: Gebrauchsfernsehen im Bildungskontext
Der Einsatz von Videoaufnahmen und Liveübertragung ist nicht ein neuartiges Phänomen der Corona-Pandemie. Schon in den 1960er Jahren wurde mit audiovisuellem Fernunterricht experimentiert, wie wir anhand des Beispiels des TV-Uni Zürich zeigen.
Recherche, Text und Video: Viviane Kübler, Flurina Perrez und Eleonora Ponti
Verwendete Literatur:
«Audiovision: Lehr- oder Lernmittel? Uni Zürich», MTW – Menschen Technik Wissenschaft, Schweizer Fernsehen, 04.01.1982, aufgerufen am 5.12.20.
Baviera, Bruno: «Fernsehen an der Universität Zürich», in: Medizin-Didaktik in der Schweiz (1983), Nr. 2, S. 8-24.
Gabathuler, Heinz: «Television Universität», in: Uni Zürich 13 (1982), Nr. 7, S. 2-12.
Gertiser, Anita. «Schul- und Lehrfilme». In Schaufenster Schweiz : dokumentarische Gebrauchsfilme 1896-1964, herausgegeben von Yvonne Zimmermann, 383–472. Zürich: Limmat-Verlag, 2011.
Messner, Philipp / Kling, Gudrun: «Das Projekt ‹Spitalfilme›. Zur Bewertung von Gebrauchsfilmen aus der medizinischen Lehre durch das Universitätsarchiv Zürich», in: Arbido (2014), Nr. 2, S. 24-26.
Murray, Susan. «The New Surgical Amphitheater: Color Television and Medical Education in Postwar America», in: Technology and Culture (2020), Vol. 61, Nr. 3, S. 772–97.
Der Eidophor – von der Medizin zur Mondlandung
Das im Jahr 1939 von Fritz Fischer an der ETH Zürich erfundene und patentierte Eidophor-System war ein analoges Bildverfahren, um Fernsehbilder in Echtzeit grossflächig zu projizieren. Der Eidophor wurde bis in die 1990er Jahre vor allem im Bildungsbereich und bei Grossanlässen eingesetzt – in der Schweiz wurde der Eidophor auch prominent an der Landesausstellung 1964 verwendet, wo er unter anderem für das damals noch junge Schweizer Fernsehen Werbung machte.
Recherche und Text: Paola D’Arcangelo, Philipp Haller und Vanessa Klein
Die Geschichte des Eidophors wurde ausführlich von Caroline Meyer beschrieben (Meyer 2009); der Westschweizer Fernsehregisseur Jean-Jacques Lagrange, der auch für die CIBA Eidophorübertragungen geleitet hat, hat die Geschichte des Fernsehprojektors für die Webseite www.notrehistoire.ch aufgearbeitet und reich illustriert. Für unseren Beitrag haben wir einen Eidophor-Event ausgesucht, welcher auf spektakuläre Weise das Potential der Technologie demonstriert. Am 13. März 1970 – acht Monate nach der ersten bemannten Mondlandung – wurde mit Hilfe dieser schweizerischen Erfindung eine Satellitenfernsehübertragung zwischen der NASA-Zentrale in Houston und dem Kongresszentrum in Davos organisiert. Nachfolgend die wichtigsten Meilensteine, wie es dazu kam und was es damit auf sich hat.
Eidophor im medizinischen Kontext
Der Eidophor und die CIBA sind zwei Begriffe, die unweigerlich zusammengehören und bereits einen ersten Hinweis auf den medizinischen Kontext des Eidophors geben. Denn die CIBA, ein in der Chemie und Pharmazie tätiges Schweizer Unternehmen, war Mutterkonzern der Eidophor-Firma Gretener AG und leistete einen grossen Beitrag an die Markteinführung und den Erfolg des Eidophors in den Nutzungsbereichen der Wissenschaft, der Medizin und dem Unterricht (Meyer 2009, S. 208). Durch Cibas bedeutende Stellung in der Wissenschaft lag es nahe, den Eidophor an wissenschaftlichen Fachtagungen, wie beispielsweise 1958 am Jahrestag der American Association for the Advancement of Science, vorzuführen, um dessen Vorteile im Zusammenhang mit der Biologie und der Medizin zu demonstrieren (Meyer 2009, S. 210). Besonders faszinierend war es für das Publikum, die im Operationssaal durchgeführten Eingriffe in einem entfernten Vorführsaal in ausserordentlich guter Bildqualität und -helligkeit auf Grossleinwänden mitverfolgen zu können (Meyer 2009, S. 211). Dadurch konnten kleinste Details beobachtet werden, die sonst nur dem Operateur selbst ersichtlich waren. Im selben Zusammenhang erwies der Eidophor sich auch schnell im universitären Unterricht als gleichermassen hilfreich und beliebt, da nun Vorlesungen direkt aus dem Operationssaal gehalten und die Aufnahmen live den Studierenden vorgeführt werden konnten. Bereits 1963 wurde diese Technik erfolgreich an der Universität Zürich eingesetzt.
Chirurgische Eingriffe mit dem Eidophor live zu dokumentieren bedingte einer Infrastruktur, welche auf der nebenstehenden Fotografie sofort ins Auge fällt. Sie stellte sich einerseits zusammen aus Gerüstenm an denen Scheinwerfer befestigt und unzählige Kabel fixiert waren. Andererseits können wir drei Kameras ausmachen, die die Operation und ihre Umgebung aufnehmen, um sie dem Publikum sichtbar zu machen. Des Weiteren sind Monitore, Mikrofone, Lautsprecher und andere technische Utensilien zu sehen. Ebenfalls auffallend ist die hohe Anzahl an beteiligten Menschen. Zusätzlich zum Ärzt*innenteam sind Produktionsleiter*in, Kameraführer*in und weitere Mitarbeiter*innen anwesend. Charakteristisch für eine Eidophor-Studio-Atmosphäre ist die Kombination aus medizinischem Wissen, kreativer Arbeit und einem gewissen Grad an Improvisation, die solche Produktionen ebenfalls verlangt (Vgl. Ciba, 1968, S. 4-9).
Von Davos in die weite Welt
Die gesamte Infrastruktur zeigt den Aufwand, welcher für eine Eidophorübertragung notwendig war. Trotzdem wurde der Eidophor häufig und oft zu Ausbildungszwecken eingesetzt, was anhand der folgenden Beispiele veranschaulicht wird. Die erste internationale Übertragung, die mit dem Eidophor als Projektor stattfand, war eine Herzoperation in Houston, Texas, die 1965 via Satellit nach Genf übertragen wurde (vgl. Meyer 2009, S.277).
Im März 1970 folgte dann ein weiterer Megaevent: Der Kongress des deutschen Senats für ärztliche Fortbildung fand unter dem Titel Medizin Interkontinental statt. Der Kongress hatte die Weltraummedizin zum Thema und organisierte passend dazu eine Eidophor-Übertragung von Houston und San Antonio nach Davos (Freis 2020). Die Übertragung des Bildes funktionierte nur einseitig von den USA nach Davos, der Ton jedoch wurde in beide Richtungen übertragen. Doch es blieb nicht nur bei der Verbindung zwischen den USA und der Schweiz: Aus Davos wurde ein Netzwerk an Verbindungen über ganz Europa gespannt, welches über 25‘000 Ärzte verband (vgl. Graul 1989, S. A-1302). In einem Beitrag des Schweizer Fernsehen wurde die Übertragung veranschaulicht.
Damit diese interkontinentale Übertragung Wirklichkeit werden konnte, brauchte es eine Reihe an Voraussetzungen. Die Möglichkeit, sich mit Personen in anderen Ländern zu vernetzen, bestand bereits durch die Telefonie per Kabel. Der Eidophor bot aber einen neuen Vorteil: Nun konnten Ärzt*innen aus den USA und der Schweiz auch per Bild verbunden werden. Dies wurde dank der Satellitentechnik möglich, welche die interkontinentale Übertragung von Fernsehbildern wahr werden liess (vgl. Meyer 2008, 276). Bereits im Jahre 1962 wurde mit dem Telstar die erste transatlantische Übertragung von Amerika nach Frankreich und England registriert (vgl. Fickers 2019, S. 305). Während des Ärzt*innenkongresses 1970 wurde das Signal dann über den Satelliten Intelsat III übermittelt (vgl. Meyer 2009, S. 284).
Natürlich brauchte ein solcher Kongress eine Beherbergung: Im Jahr 1969 wurde das Davoser Kongresszentrum eröffnet, in welchem der Ärztekongress stattfand. Das Bedürfnis dazu entwickelte sich aufgrund des aufkommenden Interesses an medizinischen Fortbildungskursen. Heute assoziieren wir mit dem Davoser Kongresszentrum hauptsächlich das Weltwirtschaftsforum (WEF), welches zum ersten Mal 1971 statt fand.
Eidophor und die Mondlandung
Doch warum wurde neben Davos genau Houston und San Antonio als Partner in diesem Ärztekongress gewählt? Darauf gibt die Broschüre des Kongresses Antwort – es handelte sich um die NASA-Standorte, und somit um „zwei amerikanische Zentren für Weltraumforschung und Weltraummedizin“ (Medizin Interkontinental 1970, o.S.). Aus Houston wurde im Juli 1969 die erste bemannte Mondlandung begleitet, beobachtet und versorgt – schon damals mithilfe des Eidophors.
In Houston befanden sich aus diesem Grund zahlreiche Experten für die Weltraummedizin. Da dieses Thema beim Ärztekongress 1970 nebst der Krebsforschung im Zentrum stand, bot sich dieser Kongresspartner an. Bei der Thematik stand einerseits die medizinische Versorgung der Astronauten im Zentrum - andererseits stellte sich die Frage, welchen Einflüssen und Strapazen der Mensch im Weltraum ausgesetzt ist. Die Auswirkungen, die der menschliche Körper bei einer Veränderung der Gravitationskraft im All erlebt, waren zu diesem Zeitpunkt noch wenig erforscht und sehr aktuell. Dieses Interesse wurde auch durch die bemannte Mondlandung vorangetrieben (Freis 2020).
Eine grosse Geschichte in Kürze
Der Eidophor als Technologie eines Schweizer Unternehmens erlangte ab Ende der 1950er Jahre ein internationales Interesse und wurde in verschiedenen Bereichen der wissenschaftlichen Forschung und des Unterrichts eingesetzt. Mit der Mitwirkung in der Medizin wurde der Eidophor zu einem Objekt, welcher die internationale Kommunikation unterstützte und den medizinischen Austausch erleichterte. Für die CIBA dienten solche Übertragungen auch als Werbemassnahme und erlaubten, sich vom Konkurrenten Roche abzugrenzen (vgl. Meyer 2009, S. 280/281). Ebenfalls im Bereich der Weltraumforschung spielte der Eidophor eine Rolle, dies auch bei der Mondlandung 1969. Jedoch fiel die Technologie schliesslich dem technischen Fortschritt zum Opfer und wurde um die 80er und 90er Jahre zunehmend durch neuere, fortgeschrittenere und vor allem billigere Lösungen ersetzt.
Bibliographie und Quellen:
Ciba, Moderne medizinische Kommunikation mit Eidophor, Basel, 1968.
Fickers, Andreas & Griset, Pascal. Communicating Europe. Technologies, Information, Events. London: Palgrave Macmillan, 2019.
Graul, Heinz. Einige Höhepunkte des Fortschritts in Medizin und Technik, in: Deutsches Ärtzeblatt, 1989.
Lagrange, Jean-Jaques. Le projecteur Eidophor, une invention suisse qui va révolutionner le monde de l'image, 2014. Zuletzt aufgerufen am: 10.12.2020. https://notrehistoire.ch/entries/kV3Yyw3n84o
Meyer, Caroline. Der Eidophor: Ein Grossbildprojektionssystem zwischen Kino und Fernsehen 1939-1999. Zürich: Chronos, 2009.